Nachtwallfahrt 2017

„Alles unter Kontrolle?“

Lieber Leser, – als Frage an Sie gerichtet: „Haben Sie alles unter Kontrolle?“ Wahrscheinlich geht es Ihnen auf der Suche nach einer Antwort, wie vielen anderen Menschen und es würde Ihnen leichter fallen eine eindeutige Antwort zu geben, wenn die Frage lauten würde: „Hätten Sie gerne alles unter Kontrolle?“ Als Wunsch formuliert würden wir sagen: Ja – natürlich, gerade als Mann. Wer in unserer Gesellschaft nicht alles unter Kontrolle hat, gilt schnell als Schwächling.

In der Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag haben sich 39 Männer aus der PG-Neusäß, der PG am Kobel und weitere Männer außerhalb der PG-Grenzen auf den Weg gemacht, um beim miteinander Reden, beim Beten, Singen und nicht zuletzt beim Schweigen über unser Leben, unseren Glauben und über die Frage nach der Kontrolle im Leben nachzudenken.

Hilfreich auf dem Weg, waren die Ansätze und Erfahrungen des amerikanischen Franziskanerpaters Richard Rohr. Während vielen Jahren Arbeit in der Männerseelsorge, hat er 5 Schlüsselerfahrungen des Männerlebens zusammengefasst, welche ein Mann auf dem Weg zum intensiven Mann-Sein durch Erfahrung erlernen kann. Sie lauten:

  1. Das Leben ist hart.
  2. Du bist nicht so wichtig.
  3. In deinem Leben geht es nicht um dich.
  4. Du hast nicht die Kontrolle.
  5. Du wirst sterben.

„Initiatorische Weisheiten“ nennt sie Richard Rohr, die uns Männern helfen können unser Mann-Sein zu entdecken, es auf unsere je eigene Art und Weise zu leben und mit den uns gesetzten Grenzen zurecht zu kommen.

Zugegeben, – zunächst einmal klingen diese 5 Wahrheiten, die Richard Rohr uns hier zumutet, sehr unattraktiv und unbequem. Auf dem 10 km langen Rundweg um das Schmuttertal hatten die Männer jedoch an 5 Stationen und auf dem Weg dazwischen, genügend Zeit für eine nähere Betrachtung. Unterstützt wurden Sie dabei von Männern aus dem Vorbereitungsteam, welche an den einzelnen Stationen durch Beiträge, Impulse, Erfahrungen aus dem eigenen Leben sowie durch geeignete Bibelstellen, Denkanstöße gaben. Mehr und mehr wurde den Männern im Verlauf der Wallfahrt klar, dass in diesen 5 Wahrheiten eine tiefe Weisheit verborgen liegt, die das Leben eines Mannes reifen lässt, so er sie im tiefsten Inneren verstehen und annehmen kann. Und langsam setzte sich auch die Erkenntnis durch, dass es im Leben nicht immer nur um Kontrolle und um sich selbst geht. Fehlende Kontrolle kann durch Gebet und Vertrauen ersetzt werden und Lasten welche in Gemeinschaft geschultert werden, tragen sich leichter.

Auch Jesus hat in seinem Leben als Mann Grenzen erfahren, hart einstecken müssen und so manche Last zu tragen gehabt. Aber durch sein Leben und Sterben, ermutigt er uns auch, unsere Lasten anzunehmen und durch all das Schwere hindurchzuschauen – er trägt unsere Last mit – er lässt uns nicht im Stich. „Ich bin bei euch, alle Tage“ – welch ein Geschenk und welch eine Entlastung für unsere Seelen liegt doch in diesem Versprechen. Als Zeichen dafür, die Lasten des Lebens anzunehmen, die eigenen und die des anderen, trugen die Männer über die gesamte Wegstrecke ein schweres Holzkreuz mit sich. Immer zwei Männer im Wechsel.

So freuten sich die Männer auch in diesem Jahr auf die geöffneten, einladenden Türen der Kapelle in St. Raphael (Steppach). Der ruhige lichterfüllte Raum der Kapelle lud zum Ausruhen, zum Gebet und zur Fürbitte ein.

Angekommen in St. Vitus (Ottmarshausen), dem Start- und Endpunkt der Wallfahrt, versammelte sich die Männergruppe noch einmal um den Altar in der abgedunkelten Kirche. Jeder Teilnehmer erhielt zur Erinnerung an diese Nacht ein Holzkreuz zum Umhängen, welches zuvor gesegnet wurde.

Bei Wein und Brot endete die Wallfahrt im Atrium von Sankt Vitus.

Lieber Leser, es sei mir als Autor dieses Beitrages noch eine persönliche Anmerkung erlaubt.

Eine Erkenntnis hat bei mir in dieser Nacht noch lange nachgewirkt. „Nein, ich habe nicht immer alles unter Kontrolle. Oftmals entgleiten mir die Dinge im Leben.“ Wie gut zu wissen, dass der Schöpfer, welcher das ganze Universum erschaffen hat, von aller Ewigkeit her auch einen Plan für mein kleines Leben hat und jederzeit weiß was zu tun und gut für mich ist. So kann ich glauben und darauf vertrauen, dass ich mein Leben nicht alle Tage neu erfinden muss, ich mich nicht jeden Tag selbst „machen“ muss, sondern von Gott schon längst vor all meinen Bemühungen angenommen und geliebt bin. Die Augen der Liebe hatten mich schon lange bevor ich geboren wurde als kostbar erkannt, als unendlich schön, als ewig wertvoll.“ So ist Gottes Herz.

Und in diesem Vertrauen kann ich in dieser Welt auch von mir selbst sagen: „Ich bin nicht so wichtig, doch unendlich geliebt!

Vielleicht lieber Leser, wäre das auch für Sie eine mögliche Antwort auf die Eingangsfrage.

Beitrag und Bilder Claus Schregle